Pressemitteilung

Mantelverordnung

Kooperationsveranstaltung von BIT Ingenieure Öhringen und IHR Wegbereiter zu den Auswirkungen der ab 1. August geltenden Ersatzbaustoffverordnung (EBV) rund um Baustoffe und Bodenschutz

„Wir betreten eine völlig neue Welt“

Öhringen, im April 2023. Über 20 Jahre hat es gedauert, jetzt wird die neue Ersatzbaustoffverordnung für mineralische Ersatzbaustoffe wirksam. Sie ist Teil einer neuen Mantelverordnung rund um Bau, Boden- und Umweltschutz, die am 1. August 2023 in Kraft tritt. Auf Unternehmen, welche die von der EBV betroffenen Baustoffe einsetzen, kommen durch das neue Regelwerk umfassende Änderungen zu.

Wie sich diese auswirken, war Thema einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der BIT Ingenieure aus Öhringen und der Firmengruppe IHR WEGBEREITER. Ihr Fazit: Ab sofort muss der Einbau von MEB in technischen Bauwerken komplett neu gedacht werden. Eine Mammutaufgabe für die Branche, jedes Jahr werden in Deutschland etwa 240 Millionen Tonnen mineralische Stoffe bewegt.

Gastgeber der hybriden Kooperationsveranstaltung waren Gernot Mörgenthaler von BIT Ingenieure Öhringen und Markus Kircher von IHR WEGBEREITER, Standortleiter in Öhringen. Diplom-Geologe Jan Herrmann, Eigentümer des Instituts für Baustoffprüfung und Umwelttechnik (IBE) in Langenbrettach, stellte den etwa 40 Teilnehmenden die wichtigsten Punkte im neuen Regelwerk vor.

In der Diskussion waren sich diese grundsätzlich über drei Dinge einig:

  • Es ist positiv, dass eine länderübergreifende, im Vorgriff auf kommenden EU-Vorgaben basierende Regelung für MEB eingeführt wird.
  • Es führt kein Weg an der Umsetzung zum 1. August 2023 vorbei.
  • Die neuen Anforderungen erfordern umfassende Anpassungen in den Arbeitsabläufen.

Praktische Fragen konnten am Beispiel beantwortet werden: Markus Kircher bot nach dem Workshop die Möglichkeit, die Bodenverbesserungsanlage in Öhringen zu besichtigen. Der gemeinsame Anlagenstandort mit Kooperationspartner Baustoff- und Bodenbehandlung Hohenlohe (BBH) verwertet oder entsorgt dort auf Baustellen anfallende Bodenabfälle rechtssicher und schafft vor Ort Ersatz- bzw. Systembaustoffe. Der Blick aus der Praxis hilft aktuell, die Befürchtungen zu dämpfen. So hat Markus Völlinger, Bauleiter Abbruch bei Schneider in Öhringen, festgestellt, dass von der viele Seiten starken Mantelverordnung nur wenige Seiten tatsächlich alltagsrelevant sein werden. Tenor bei den Bauleitern: „Die entscheidenden Punkte müssen wir intensiv kennenlernen,  am Ende ist alles halb so wild.“

Worum es geht: Anforderungen und neue Grenzwerte

Die EBV regelt den Umgang mit den mineralischen Ersatzbaustoffen, indem Anforderungen in den folgenden Bereichen definiert werden:

  • Herstellung und Inverkehrbringen in mobilen und stationären Anlagen,
  • Probenahme und Untersuchung von nicht aufbereitetem Bodenmaterial und Baggergut (ausgehoben oder abgeschoben),
  • Einbau der mineralischen Ersatzbaustoffe in technische Bauwerke wie Dämme oder Verfüllungen,
  • getrenntes Sammeln von mineralischen Abfällen.

Die bisherigen Bestimmungen wurden teilweise verschärft, etwa beim Grundwasserschutz. Hier sind künftig sowohl ein Sicherheits- als auch ein Mindestabstand vorgegeben.

Die aktuellen Projektabläufe an sich sind nicht von der EBV betroffen. „Ein Damm bleibt ein Damm, eine Verfüllung eine Verfüllung“, sagt Jan Herrmann. Was die Bezeichnungen der Stoffe und die Eingruppierung von Materialien betrifft, brechen dagegen komplett neue Zeiten an. Entscheidend ist aus Sicht der Tiefbaubranche, dass künftig neue Untersuchungsmethoden angewandt werden müssen, die den neuen Grenzwerten für die Eingruppierung der Stoffe gerecht werden.

Konkret laut EBV: Beim Untersuchungsverfahren, welchem aktuell ein Wasser-/Feststoffverhältnis  von 10:1 zu Grunde liegt, wird ab dem 1. August ein Wasser-/Feststoffverhältnis von 2:1  verlangt. Dr. Bernd Susset vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen und Geschäftsführer des QRB e.V., vergleicht das mit einer Tasse Kaffee: Ob sie mit einem Stück Würfelzucker oder zehn Stück gesüßt wird, macht einen Riesenunterschied. Durch die Umstellung werden höhere Konzentrationen von Stoffen gemessen, die Grenzwerte verändern sich. Daher müssen alle Prozesse überprüft und angepasst werden. „Wir betreten eine völlig neue Welt“, sagt Jan Herrmann.

Das betrifft bei der EBV folgende Akteure:

Erzeuger und Besitzer: Ihnen obliegt die Pflicht, nicht aufbereitetes Baumaterial bzw. den Baugrund zu untersuchen (§14 EBV), zu bewerten (§15), zu klassifizieren (§16) und die Ergebnisse zu dokumentieren (§17). Die Baustoffe müssen je nach Einstufung getrennt gesammelt und verwertet werden.

Betreiber und Aufbereiter: Sie müssen die Annahme der Stoffe kontrollieren. Die Güteüberwachung umfasst vielerlei Aufgaben:

  • Erstprüfung (einmalig je Ersatzbaustoff)
  • Betriebsbeurteilung (einmalig)
  • Annahmekontrolle ("täglich" ist ein Teil der WPK, Werkseigene Produktionskontrolle)
  • Eigenüberwachung (EÜ) (Teil der WPK) ("Produktionstage-/tonnageabhängig")
  • Fremdüberwachung (FÜ) (mind. 4/a)

Bei der Fremdüberwachung (z.B. durch die IBE GmbH durchgeführt, wird die WPK einmal im Jahr detailliert überwacht und bei jedem weiteren FÜ-Durchgang stichpunkthaft überwacht, also mind. 4/a). Dazu kommen dann noch die körperlichen Untersuchungen (Chemie).

Verwender und Grundstücksbesitzer: Sie unterliegen grundsätzlichen Anforderungen, etwa was Wasserschutz, Grundwasser-Deckschichten und Dämme angeht (§19). Bei Schlacken und Aschen gibt es neue Einschränkungen (§20).

Erzeuger, Verwender und Besitzer müssen sich sofort bei den Behörden melden, wenn kritisch zu bewertende Stoffe auftauchen. Wer schweigt, begeht künftig eine Straftat.

App soll vor Ort für mehr Klarheit sorgen

Um böse Überraschungen beim Inverkehrbringen der Mineralischen Ersatzbaustoffe zu verhindern, wird in Baden-Württemberg durch den QRB e.V.  eine QEB-App zur EBV entwickelt. In diese können mittels geografischer Daten oder des Standortes die wichtigsten Informationen zur Bodenbeschaffenheit ermittelt werden, um eine mögliche Verwendung des Recyclingbaustoffes vor Ort zu überprüfen. Das soll auch helfen, auf Basis der Daten produktneutrale Ausschreibungen richtig zu formulieren.

Unklare Kostenregelung birgt Konfliktstoff

Bemängelt wurde von den Workshop-Teilnehmenden, dass das neue Verfahren deutlich teurer wird. „Handling, Verwaltung, Dokumentation und Auflagen verursachen Mehraufwand, der in den Baukosten realisiert werden muss“, sagt Jan Herrmann: „Wir stehen vor der Herausforderung, die Bauherren davon zu überzeugen, dass diese Kosten tatsächlich der neuen Regelung geschuldet sind“, erläutert Jan Herrmann. In diesem Zusammenhang müsse Druck aufgebaut werden gegenüber Planern und ausschreibenden Stellen, die bislang kaum auf die neue Mantelverordnung reagiert hätten. Die Autobahn GmbH des Bundes liefert das Gegenbeispiel: Sie schreibt bereits alle Projekte mit einer Doppel-Deklaration für die alte und die neue Verordnung aus.

Der Eigentümer des Baustoffs trägt die Kosten, doch wer ist Eigentümer? Das geht aus der Mantelverordnung nicht hervor. Die öffentliche Hand, in der Regel Auftraggeber der Projekte, hat sich der Verantwortung bereits im Vorfeld entzogen. Bleiben die an der Ausführung beteiligten Parteien, vom Planer bis zum Bauunternehmen – Konflikte sind damit vorprogrammiert.

Zwei Dinge, die Unternehmen zur Mantelverordnung wissen müssen:

1. Die neue Mantelverordnung regelt neben der EBV weitere drei Bereiche übergreifend für alle Bundesländer:

  • die Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung,
  • die Deponieverordnung sowie die
  • Gewerbeabfallverordnung.

2. Die bisherigen Vorschriften wie VwV Boden und der sogenannte „Dihlmann-Erlass“ werden zum 1. August 2023 aufgehoben und verlieren ihre Gültigkeit ebenso wie die umweltrelevanten Merkmale der TL Gestein-StB, TL SoB-StB und weitere, welche spätestens zum 1. August  angepasst sein müssen. Eine KA5 (bodenkundliche Kartieranleitung) und die DIN 18196 gelten dagegen weiterhin.

Fazit: Informieren, planen, handeln!

Experten wie Jan Herrmann haben derzeit einen übervollen Terminkalender, denn der Mehraufwand an Beratung ist enorm. Bauherren, Fachbehörden, Planungsbüros, Architekten, Bauunternehmen und insbesondere Recycling- und Entsorgungsbetriebe sowie Verwertungsstellen sind betroffen. „Sie müssen alle bereit sein, sich auf das neue Regelwerk einzustellen“, sagt der Geologe. Schließlich könne es bis zu zwei Jahre dauern, bis die neuen Abläufe sitzen und feststeht, wie sich die EBV im Detail auswirkt. „Eine Übergangszeit gibt es jedenfalls nicht“, sagt Jan Herrmann – denn dadurch, dass die Verordnung 2021 veröffentlicht wurde, ist die Schonfrist fast abgelaufen.

BIT Ingenieure

Über 200 Mitarbeiter:innen decken an sieben Standorten in Baden-Württemberg das gesamte Spektrum an Ingenieur- und Architektenleistungen für Wasser, Verkehr, Stadt- und Umweltplanung ab. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Karlsruhe mehreren Standorten in Baden-Württemberg, etwa in Heilbronn, unterstützt bei Planung und Umsetzung nachhaltiger Lösungen für Infrastruktur und Umwelt.

IHR Wegbereiter Gruppe

Die Firmengruppe IHR Wegbereiter bietet Straßen- und Tiefbauleistungen für die öffentliche Hand, Bau-AGs, Industrie-, Gewerbe- und Privatkunden. Schneider GmbH & Co. KG (gegründet 1903) in Öhringen, Schneider Bau GmbH & Co. KG (gegründet 1984) in Heilbronn und Konrad Bau GmbH & Co. KG (gegründet 1914) in Lauda-Königshofen beschäftigen insgesamt 420 Mitarbeiter und erwirtschafteten 2022 einen Umsatz von knapp 94 Millionen Euro.

KONTAKT

Christine Reutter
Schneider GmbH & Co. KG
Steinsfeldle 16, 74613 Öhringen
Tel.: 0151 / 58045 153
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